Ferah Jilonek war ein Arbeiter der Staatenunion Zeria, der aufgrund der Umstände seines Todes international bekannt wurde.
Ferahs frühes Leben
Ferah Jilonek wurde am 38.04.08 v.D. (vor Djoki) in der Stadt Kalanday in der Staatenunion Zeria geboren.
Zu Ferahs Geburt hatte sein Vater Arbeit bei der lokalen Zweigstelle des Entsorgungskonzerns, der für die Stadt Kalanday die Müllabfuhr erledigte. Seine Mutter arbeitete als Friseur in der Nähe der kleinen Wohnung, die für eine Familie eigentlich zu klein war. Aufgrund der hohen Mieten und sonstigen Kosten in Kalanday konnte sich Familie Jilonek keine größere Wohnung leisten.
Ferah selbst war in seiner Kindheit oft bei seinen Großeltern väterlicherseits, die auf einem Dorf am Rande der Stadt wohnten. Nach der Schule fuhr er oft mit dem Fahrrad zu ihnen und verbrachte mit ihnen den Nachmittag, bis seine Eltern ihn abends abholten. In der Schule war Ferah nicht so gut, wie es sich seine Eltern gewünscht hätten. Sie wünschten sich nichts mehr, als das Ferah gute Schulnoten bekam, sodass er länger als die 7 verpflichtenden Schuljahre zur Schule gehen kann und sogar vielleicht sogar so gut werden würde, dass er einen kostenlosen Studienplatz erhalten könnte. Eigentlich hätte Ferah professionelle Nachhilfe gebraucht, die sich seine Eltern aber nicht leisten konnten. Die Großeltern halfen Ferah, wo sie nur konnten, denn auch sie wussten, wie schwer es für ihn werden würde, wenn er nur 7 Jahre lang zur Schule gehen würde.
Ferahs zehntes Lebensjahr brachte mehrere einschneidende Erlebnisse. Im 2. Monat des Jahres 2 n.D. (nach Djoki) starben seine Großeltern bei einem Autounfall. Ein selbstfahrendes Auto hatte aufgrund eines Softwarefehlers zu spät erkannt, dass Personen auf der Fahrbahn sind und überfuhr die Großeltern, um das Leben einer Mutter mit Baby zu schonen, die gleichzeitig die Fahrbahn an einem Zebrastreifen überquerte. Ferahs Eltern waren zutiefst geschockt, so wie Ferah selbst und es brauchte einige Zeit, bis alle den Schmerz und die Trauer überwunden hatten. Auch die nach dem Vorfall vom Autobetreiber zugesicherte Schadensersatzzahlung blieb aus, da dieses Angebot nur einen Monat lang gültig war, aber Ferahs Eltern innerhalb dieses kurzen Zeitraums aufgrund des Schocks nicht alle Formalitäten erledigen konnten.
Im 5. Monat des Jahres 2 n.D. starb Ferahs Mutter an einem Herzinfarkt. Sie musste trotz der Trauer um die Großeltern und gesundheitlicher Leiden weiterarbeiten, da der Familie sonst der Verlust der Wohnung wegen Mietrückstand drohte. Dieser Belastung hielt sie nicht lange stand. Ferahs Vater rutschte daraufhin in eine Depression und konnte deswegen seine Arbeit nur noch halbtags ausführen, woraufhin sein Gehalt um zwei Drittel gekürzt wurde. Ferah selbst war sehr niedergeschlagen und konnte nicht verstehen, warum seine Mutter nicht zum Arzt gegangen ist, wenn sie gesundheitliche Probleme hatte. Sein Vater erklärte ihm, dass sie sich die Arztkosten nicht hätten leisten können.
Nach dem Tod der Mutter konnten sich Ferah und sein Vater die Miete für die Wohnung nicht mehr leisten und mussten in eine Mini-Mietwohnung, die eigentlich zu klein ist, umziehen. Zudem lag sie in einem anderen Stadtteil, der als Problembezirk in den Medien der Staatenunion gebrandmarkt wurde. Dementsprechend verhielten sich manche Leute auch. Ferah gefiel es weder in der neuen, zu kleinen Wohnung noch in dem neuen Stadtteil, da er in der Schule oft Hänseleien über sich ergehen lassen musste und außerhalb der Schule mehrmals von gewalttätigen Leuten angegriffen wurde. Ferah selbst blieb stark, trotz all der Schicksalsschläge, die sein junges Leben erdulden musste. Seine Hoffnung darauf, dass das Leben für ihn und seinen Vater eines Tages besser werden würde, gab ihm Kraft, sodass er die Probleme des Alltags ertragen konnte. Mit 14 erhielt er die erhoffte Zulassung für weitere 3 Schuljahre, sodass er einen höheren als nur den grundlegenden Schulabschluss erhalten konnte.
Jugend
In anderen Teilen der Welt Zeria hatte die Djoki-Revolte dazu geführt, dass Regierungen durch Massendemonstrationen und Generalstreiks gestürzt wurden und neue Regierungen endlich den Stimmen der bis dahin unterdrückten Bevölkerung Gehör verschafften. Bis zu Ferahs fünfzehntem Lebensjahr führte dies zu einer Reihe revolutionärer Reformen wie Enteignungen und Verstaatlichungen von Konzernen und Banken und die Einführung der direkten Demokratie. Mehrere Staaten fusionierten zu Staatenbunden und die Einigung der gesamten Welt Zerias nahm Gestalt an. Ausgenommen hiervon war die Staatenunion Zeria, die Proteste im Rahmen der Djoki-Revolte brutal unterdrückte und demokratische Rechte stark einschränkte, sodass die bisherigen Machthaber weiterhin im Amt bleiben konnten.
Die Auswirkungen der Djoki-Revolte waren auch in Kalanday zu spüren. Ferah bekam einmal zufällig eine Demonstration von Sympathisanten der Djoki-Revolte mit, die nach sehr kurzer Zeit gewaltsam von der Polizei aufgelöst wurde, wobei Schlagstöcke, Pfefferspray, Laserblender und Elektroschocker zum Einsatz kamen. Ferah musste mit ansehen, wie auf alte Leute eingeschlagen wurde, bis sie hilflos am Boden lagen und wie andere wehrlose, friedliche Demonstranten brutal von stark bewaffneten Polizeikräften blutig geschlagen und getreten wurden. Bis zu diesem Tag hatte Ferah daran geglaubt, dass die Staatenunion der beste Staat sei, den es auf Zeria gibt und dass die Freiheit das höchste Gut wäre, das der Staat schützen würde. Dieses Erlebnis ließ ihn daran zweifeln, auch als er nach diesem Ereignis in den Medien die Schilderungen der Polizei las, die den martialischen Einsatz als notwendig verteidigte, weil aus den Reihen der Demonstranten Steine und Brandsätze in Richtung Polizei geworfen worden wären. Er wusste ja, dass dies eine Lüge der Polizei war. Umso mehr war er verwundert, als Politiker aller Parteien des Parlaments der Staatenunion Zeria der Polizei den Rücken stärkten und die „Gewalt der Demonstranten“ als undemokratisch verurteilten.
Auch in der Schule war die Djoki-Revolte Thema. Während des Wirtschaftsunterrichtes, der dazu dient, den Schülern die Doktrin des Marktes näherzubringen, wurde die Djoki-Revolte als großer Fehler gelehrt, der nur zum wirtschaftlichen Niedergang der Staaten führen würde, die die Doktrin des Marktes missachteten. In den kurzen Pausen waren die stattfindenden Demonstrationen auch ein Gesprächsthema. Ferah berichtete von der gewaltsamen Auflösung der Demonstration, die er mit angesehen hatte. Die meisten, mit denen er sprach, sahen in den Demonstranten fehlgeleitete Leute, die wohl zu viel Freizeit hätten und besser die Straßen kehren sollten, um die Welt zu verbessern. Ferah machte sich immer mehr Gedanken, in welchem Staat er lebt.
Als Ferah 16 Jahre alt war, wurde sein Vater entlassen, weil der Entsorgungskonzern, in dem dieser immer noch arbeitete, zu wenig Gewinn erwirtschaftete und in jeder Zweigstelle Zerianer entlassen werden mussten. Der Konzern war auch außerhalb der Staatenunion Zeria aktiv, aber die dortigen lokalen Zweigstellen wurden zum Teil enteignet, was den Gewinn geschmälert hat. Ferahs Vater verstand nicht, warum er entlassen wurde, obwohl er immer ein loyaler Arbeiter war und immer seinen Dienst verrichtet hat, wie es von ihm verlangt wurde. Die Arbeitslosigkeit und die damit einhergehende Stigmatisierung verschlimmerte seine Depression, sodass er nicht mehr in der Lage war, eine geregelte Arbeit zu finden. Ferah musste selbst Arbeit finden, um die Wohnung bezahlen zu können. Dies bedeutete, die Schule zu verlassen und damit auch die Chance auf eine höhere Ausbildung aufzugeben.
In einem Schnellrestaurant bekam Ferah einen Arbeitsplatz. Das Geld reichte gerade so, um Wohnung und Essen bezahlen zu können. Sein Vater steuerte mit Gelegenheitsarbeit etwas Geld hinzu, sodass sich Ferah zwischendurch ein paar Urlaubstage kaufen und mit seinem Vater kurze Reisen machen konnte, um dem Alltag zu entfliehen. Bei einer dieser Reisen gerieten sie unbeabsichtigt mitten in eine Demonstration, die sich spontan formierte. Ferah konnte mit seinem Vater nicht mehr rechtzeitig aus dem Gemenge flüchten, sodass auch sie von Polizisten erst eingekesselt, dann geschlagen und zuletzt mitgenommen wurden. Es folgte die Untersuchungshaft und ein Eintrag in das Vorstrafenregister wegen Teilnahme an einer staatsgefährdenden Demonstration, was für Ferah bedeutete, dass er keine Chance mehr hatte, bestimmte gut bezahlte Arbeitsplätze anzunehmen. Seine Zweifel im Hinblick auf die Staatenunion Zeria verstärkten sich immer mehr.
Nach der Freilassung aus der Untersuchungshaft und der Rückfahrt nach Hause stand Ferah ohne Arbeit da, weil er einen Arbeitstag im Gefängnis verbracht hatte und ein rechtsextremer Polizist den Filialleiter des Schnellrestaurants darüber informiert hatte, um Ferah eine Lektion zu geben, wie er sagte. Ferah wusste, dass es jetzt für ihn schwieriger als früher werden würde, einen Beruf zu finden. Sein Vater half ihm beim Durchforsten von unzähligen Stellenanzeigen und fragte auch im Stadtteil, ob jemand Arbeit für seinen Sohn hätte. Nach mehreren Wochen hatte Ferah wieder Arbeit: Er war im telefonischen Vertrieb tätig und verkaufte überteuerte Produkte an Zerianer, die ihre Kontaktdaten im Rahmen von Gewinnspielen zur Verfügung gestellt hatten. Diese Arbeit brachte Ferah zwar mehr Lohn als im Schnellrestaurant, machte ihn aber nicht glücklich, da er wusste, dass er praktisch anderen Leuten wie ihm das hart erarbeitete Geld aus der Tasche zog. Aber er brauchte das zusätzliche Geld, um Arztrechnungen und Medikamente für seinen Vater bezahlen zu können, dessen Gesundheitszustand sich verschlechterte.
Erwachsen
Nach langer unbehandelter Krankheit starb Ferahs Vater am 3.2.13 n.D. Damit verlor Ferah den einzigen Menschen, den er noch zu seiner Familie zählte. Den Rest seiner Familie kannte er nicht. Erst als sein Vater im Sterben lag, erfuhr er, dass die Tanten, Onkel und die Großeltern mütterlicherseits den Kontakt abgebrochen hatten, als Ferahs Eltern sich weigerten, den Militärdienst anzutreten, was ihnen mehr als genug Geld gebracht hätte, um Ferah eine Kindheit im Wohlstand zukommen zu lassen. Allerdings waren sie nicht dazu bereit, ihre pazifistische Grundhaltung dem Streben nach Geld unterzuordnen, was der Rest der Familie überhaupt nicht verstand. Nachdem Ferahs Vater dies erzählt hatte, fragte er ihn, ob er richtig gehandelt habe, was Ferah bejahte. Es sei nicht seine Schuld, dass die Dinge so schlecht gelaufen sind, tröstete er seinen Vater. Ferahs Vater wurde nach seinem Tod eingeäschert und auf dem nahegelegenen Friedhof in einem „Armengrab“ bestattet, bei dem über die Urne ein einfacher Holzpfahl mit Name, Geburtsdatum und Sterbedatum aufgestellt wird.
In der folgenden Zeit informierte sich Ferah immer mehr über die Vorgänge außerhalb der Staatenunion Zeria. Dazu musste er das Risiko eingehen, über eine VPN-Verbindung Kontakt zu dem Teil des planetenweiten Datennetzwerkes außerhalb der Staatenunion Zeria aufnehmen. Seit ein paar Jahren ist dieses innerhalb der Staatenunion Zeria gesperrt, weil angebliche „Terrorpropaganda“ in den anderen Teilen von Zeria nicht auf Anforderung der Staatenunion gelöscht wird. Ferah las im Datennetz, dass sich im Kontinent Wojoi ein sozialistischer Staatenbund gebildet hat, in dem die Bürger weitaus mehr demokratische Rechte haben als in der kapitalistischen Staatenunion Zeria. Mit der Zeit begann er, seinen Arbeitskollegen von den Nachrichten zu erzählen, die er über die Welt „da drüben“ erfahren hat. Seine Kollegen glaubten ihm nicht und sagten, dies seien Falschnachrichten und er solle sich besser auf seine Arbeit konzentrieren, sonst würden alle in seinem Team schlechter bezahlt werden.
Es dauerte nicht lange, als auch der Inlandsgeheimdienst auf Ferah aufmerksam wurde. Durch heimlich installierte Spionagesoftware auf den Mobiltelefonen von Ferahs Mitarbeitern konnte er in Erfahrung bringen, dass Ferah „Feindpropaganda“ verbreitete. Dies führte dazu, dass Ferahs Wohnung eines Morgens von der Polizei durchsucht und verwüstet wurde. Es kam zu einer Anklage wegen der Verbreitung von „Terrorpropaganda“, die sofort dazu führte, dass Ferah zuerst seine Arbeit und dann wegen der ausstehenden Mietzahlung seine Wohnung verlor. Er verstand nicht, welches Verbrechen er begangen haben soll. Er hat sich nur informiert und die demokratischen Rechte in Anspruch genommen, die in der Verfassung der Staatenunion Zeria festgeschrieben sind. Die drastischen Reaktionen auf seine Aktivitäten und die Rückschau auf die Ereignisse seines Lebens ließen ihn zu dem Schluss kommen, dass die Staatenunion Zeria nur eine demokratische Fassade sein müsse, bei denen die Sicherheit der Reichen und der Schutz wirtschaftlicher Interessen Vorrang vor den demokratischen Rechten der Bevölkerung besitzt.
Nach der Entlassung aus dem Gefängnis folgte für Ferah die Obdachlosigkeit, in der er mehrfach von wohlhabenden Bürgern und sogar Polizeikräften zusammengeschlagen wurde, weil er arm und entkräftet war und sich nicht wehren konnte. Am 26.09.16 n.D. verschaffte sich Ferah unbemerkt Zugang zum Dach des Rathauses von Kalanday und sprach dort zu der Menge der Schaulustigen, die sich am Fuße des Rathauses gesammelt hatten und ihn teilweise aufforderten, herunterzuspringen. Er sprach die folgenden Worte:
Hört mich an! Mein Name ist Ferah Jilonek. Ich bin 24 Jahre alt. In diesen 24 Jahren habe ich meine Mutter, meinen Vater, meine Wohnung, meinen Traum, meine Zukunft verloren. Ich hatte große Träume: Aus der Armut durch eigene Anstrengung reich werden, so wie es die Doktrin des Marktes lehrt. Doch sie ist eine Lüge! Jahrelang habe ich mich sehr angestrengt, um gut in der Schule zu sein. Doch weil meine Eltern nicht genug Geld verdienen konnten, musste ich selber früher als geplant die Schule verlassen und selbst mit schlecht bezahlter Arbeit die Wohnung für mich und meinen Vater bezahlen. Meine Träume wurden zerstört, indem mir vorgeworfen wurde, ich sei ein Krimineller. Weswegen? Weil ich es gewagt habe, über den Tellerrand in andere Teile von Zeria zu schauen. Warum hat unsere Regierung so ein Problem damit, wenn sich Zerianer selbstständig informieren? Vielleicht, weil die Zerianer in den anderen Teilen dieser Welt großartige Dinge erreicht haben, von denen wir nur träumen können? Ich nenne mal ein paar dieser Dinge: Dort wurde der Sozialismus eingeführt und die Zerianer genießen dort die Freiheiten, die wir nur auf dem Papier besitzen: Die haben kostenlose Bildung, ein kostenloses Gesundheitssystem und eine gute staatliche Absicherung im Alter. Dort steht es allen Zerianern frei, die aktuelle Politik zu kritisieren, ohne Gefahr zu laufen, wegen angeblicher terroristischer Aktivitäten eingesperrt zu werden. Sogar denen, die zum „Sturz des Systems“ aufrufen, wird das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährt, ohne dass es zur Inhaftierung kommt! Was dort klappt, können wir auch bei uns verwirklichen! Gemeinsam können wir diesen Staat wieder demokratisch machen, ein kostenloses Bildungs- und Gesundheitssystem aufbauen und das Rentensystem reformieren, sodass im Alter für jeden genügend Geld da ist, um sorgenfrei leben zu können. Das Geld ist da, wenn Konzerne und Banken enteignet und verstaatlicht werden und Reiche einen Teil ihres Vermögens abgeben. Warum soll das hier nicht klappen? Lasst euch nicht länger einreden, dass ihr nichts tun könnt oder dass die Doktrin des Marktes das einzig wahre sei! Lasst euch nicht länger für dumm verkaufen von den Reichen! Das Leben jedes Zerianers ist gleich viel wert! Niemand soll mehr Wert sein als jemand anderes! Lasst uns dafür zusammen kämpfen!
Aus der Menge kamen einzelne Jubelrufe. Ferah fügte hinzu:
Wir, die Arbeiter, haben die Macht! Es lebe die sozialistische Revolution!
Die Jubelrufe aus der Menge wurden lauter und schlugen dann in Schreie des Entsetzens um, als Ferah von einer Kugel aus einer Scharfschützendrohne getroffen wurde und tot vom Rathaus stürzte. Die Leitung der Poizeistelle, die damit beauftragt wurde, Ferah vom Dach des Rathauses zu entfernen und festzunehmen, nutzte ein KI-System zur Identifizierung von Personen. Aufgrund Ferahs früheren Recherchen und Interessen stufte die KI ihn als Terrorist ein und ging davon aus, dass er einen Bombenanschlag planen würde, um Rache für die Schicksalsschläge seines Lebens zu nehmen. Daraufhin beauftragte die Polizeistelle eine Spezialeinheit zur Terrorabwehr, die mehrere bewaffnete Drohnen auf den umliegenden Dächern platzierte und zum eigenen Schutz die Situation nur aus einiger Distanz beobachtete. Nachem Ferah seine Rede beendet hatte und die Jubelrufe zu hören waren, rechnete man mit dem Zünden der Bombe durch Ferah, woraufhin eine der Drohnen den Feuerbefehl erhielt. Die Leute, die am Fuße des Rathauses Ferahs Rede gehört und gejubelt hatten, wurden verhaftet, verhört und dann als unzuverlässige Person oder „Störer“ in einer polizeilichen Datenbank registriert, was ihnen verschiedene Nachteile im Alltag brachte.
Nach Ferahs Tod
In der Staatenunion Zeria berichteten die dortigen Medien verfälscht über Ferahs Tod, da sie ohne eigene Recherchen die Version des Geschehens übernahmen, die die Polizei verbreitete. In dieser heißt es, Ferah sei ein Terrorist, der mit einer Bombe bewaffnet auf dem Dach des Rathauses von Kalanday stand und damit gedroht hätte, das Rathaus zu sprengen. Zur Wahrung der Sicherheit sei er dann von einer Scharfschützendrohne erschossen worden. Der Inhalt von Ferahs Rede wurde nicht erwähnt. Als Videoaufzeichnungen des Vorfalls mitsamt Ferahs kompletter Rede auftauchten und sich verbreiteten, sahen sich die Medien der Staatenunion dazu gezwungen, die Geschichte zu ändern. Jetzt war Ferah ein fehlgeleiteter, verwirrter Obdachloser, der der Propaganda ausländischer Mächte zum Opfer fiel und nun die Schuld für den Verlauf seines Lebens bei anderen als sich selbst suchen würde, um von seiner eigenen Faulheit abzulenken.
Politiker der Regierung der Staatenunion Zeria nahmen den Fall zum Anlass, die Gesetze gegen die Verbreitung von „Terrorpropaganda“ zu verschärfen, sodass nun schon bei kleineren Verstößen gegen die Gesetze eine langjährige Haftstrafe drohen könnte.
Mehrere Aufzeichnungen von Ferahs Rede gelangte über Umwege in das Datennetzwerk außerhalb der Staatenunion Zerias. Dort verbreitete es sich viral und war Thema in Fabrikkommitees, lokalen, regionalen und nationalen Räten, Parlamenten und in ständigen Bürgerversammlungen. In der Bevölkerung gab es viele Solidaritätsbekundungen mit denjenigen, die wie Ferah in der Staatenunion Zeria in Unfreiheit leben. Auf den regelmäßig stattfindenden Demonstrationen, an denen den Opfern des Kapitalismus gedacht wird, war das Schicksal von Ferah Jilonek ebenfalls Thema, als Beispiel für die Grausamkeit des Wirtschaftssystems, das man in der Republik Zeria aus gutem Grund überwunden hatte.
Auch die Auslandssender der sozialistischen Staaten, die teilweise weit in das Territorium der Staatenunion Zerias hineinsenden konnten, berichteten ausführlich über Ferahs Tod, die Rede Ferahs und sie versuchten, Informationen über Ferahs Leben zu erhalten, um die Hintergründe in Erfahrung zu bringen. Zudem wurde Ferahs Rede mehrfach in voller Länge gesendet, was von den Medien und der Politik der Staatenunion Zeria sehr negativ bewertet wurde. Man bezeichnete die detaillierte Berichterstattung als Propaganda, teilweise sogar als „Terrorproaganda“ und dachte über den Verbot der Betätigung für ausländische, nicht registrierte Medien und Journalisten nach.
Alle sozialistischen Staaten bzw. Staatenbunde einigten sich nach einer ausführlichen Diskussion in der Bevölkerung darauf, Ferah Jilonek und all die anderen unterdrückten Zerianer mit eine Gedenktag zu würdigen. Ab dem kommenden Jahr 17 n.D. sollte der 26.09. ein einheitlicher Gedenktag für die Opfer des Kapitalismus sein. In der Repubik Zeria, die 19 Jahre später aus den sozialistischen Staatenbunden hervorging, wurde der 26.09. zum Feiertag ernannt.